
Flatternde Membranen im Vakuum: Wie Lernende zur Forschung beitragen
Drei Polymechanik-Lernende der ETH haben in ihrer Abschlussarbeit Werkstücke für die Forschungsger?te der Physik hergestellt und damit Bestnoten erzielt. Ihre Spezialanfertigungen helfen, die Messung von Magnetfeldern zu verbessern.
Behutsam befreit der Physiker und Techniker Urs Grob die gl?serne Vakuumkammer aus der umhüllenden Isolationsdecke. In ihrem Innern spielt sich das gesamte Experiment ab: das Testen von Siliziumnitrid-Membranen zur Messung von magnetischen Kr?ften. Pr?zise Forschung im Innern, ein Work-in-Progress rundherum. Die temperaturempfindliche Kammer ist umgeben von Kabeln, einem mannhohen Aluminiumgestell und vier Seilzügen, die es erlauben, das Glas der Vakuumkammer zu senken, um sie zu ?ffnen.
?So ist das mit Forschungsapparaten: Sie werden st?ndig weiterentwickelt und muten daher immer etwas unübersichtlich an?, schmunzelt Grob. Ein Hubtisch, den die Forschenden über eine Kurbel in der H?he verstellen k?nnen, soll die behelfsm?ssige Seilkonstruktion zukünftig ersetzen und ein sicheres ?ffnen der Kammer garantieren. ?Solche Teile findet man nicht von der Stange?, meint Grob.
Die Spezialanfertigungen für die Spitzenforschung werden in der departementseigenen Werkstatt hergestellt (vgl. auch D-PHYS-News vom 27.1.2017). Die Pl?ne der n?tigen Einzelteile zeichnete Grob in seiner Funktion als Techniker der Spinphysik-Gruppe um Professor Christian Degen selbst und leitete sie an die Zentralwerkstatt des Physik-Departements weiter. Dort haben die Polymechaniker Jér?me de Meurichy, Marlon Margadant und Gian Curiger die Bauteile als individuelle praktische Arbeit (IPA) zu ihrem Lehrabschluss angefertigt und sich damit Bestnoten verdient.





Feinfühlige ?Leintücher? erweitern die MRI-Technologie
Da es sich bei der Fabrikation des Hubtisches um eine gr?ssere Aufgabe handelte, haben zwei Lehrlinge – de Meurichy und Margadant – gemeinsam daran gearbeitet. In ihrer vierj?hrigen Lehre haben sie gelernt, pr?zise Werkstücke anhand von CAD-Pl?nen und 3D-Modellen herzustellen. Für die IPA mussten sie den Fertigungsprozess sowie das Zeitmanagement selbst?ndig planen und organisieren.
?Einfachere Werkstücke konnten wir auf konventionellen Dreh- und Fr?smaschinen anfertigen. Für komplexere Teile nutzten wir die CNC-Fr?se, die über einen Computer gesteuert wird?, erkl?rt de Meurichy. Die Lehrlinge simulierten dazu den Fr?svorgang in einem 3D-Programm, das daraus den Code als Anleitung für die CNC-Fr?se generiert. Die CNC-Fr?se arbeitet dennoch nicht ohne menschliches Zutun: Die Lernenden müssen die richtigen Werkzeuge einsetzen, den Code überprüfen, die Maschine kalibrieren und sorgf?ltig überwachen.
Mit dem Experiment in der Vakuumkammer, für welche die Lernenden den Hubtisch bauten, k?nnen die Forschenden des Nanomechanics Lab der Spinphysik-Gruppe testen, ob sich Magnetkr?fte mit Hilfe von Siliziumnitrid-Membranen genauer messen lassen als mit herk?mmlichen Sensoren. Die Membranen werden dazu in der Vakuumkammer aufgespannt und vibrieren unter dem Einfluss winziger magnetischer Kr?fte. ?Das ist in etwa so, wie wenn gespannte Leintücher im Wind flattern?, erkl?rt Grob. ?ber die St?rke der Schwingung k?nnen die Physiker:innen die St?rke der Magnetkr?fte bemessen. Die Membranen k?nnten so der Schlüssel zur Weiterentwicklung der nano-Magnetresonanztomografie (nanoMRI) darstellen. Analog zum MRI, das aus Spit?lern bekannt ist, soll nanoMRI erm?glichen, biologische Objekte wie Viren in drei Dimensionen mit einer Aufl?sung von unter einem Nanometer – das ist 0,000000001 Meter – zu scannen und abzubilden.

Ein Kühlsystem für das Diamantsensor-Mikroskop
Die Spinphysik-Gruppe misst Magnetfelder nicht nur mit solch feinfühligen ?Leintüchern?, sondern auch mit Diamanten. Auch dafür haben die Lernenden eine Auftrag ausgeführt. Im Diamond Lab nutzen die Forschenden eine Fehlstelle im Diamanten, um die magnetischen Kr?fte an einem spezifischen Punkt zu bestimmen. Beim sogenannten Stickstoff-Fehlstellen-Zentrum fehlt ein Kohlenstoffatom im sonst reinen Kohlenstoffgitter und am Platz eines benachbarten Kohlenstoffatoms sitzt ein Stickstoffatom. Die dadurch ver?nderte Elektronenanzahl führt dazu, dass die Fehlstelle sensitiv auf ein Magnetfeld reagiert.
?Mit dem Sensor lassen sich Proben – ?hnlich der Rasterkraftmikroskopie – abrastern und so Magnetfelder auf Oberfl?chen messen?, führt Grob aus. ?Das ist beispielsweise für die Harddisk-Industrie interessant, die die dünne Schichten des magnetischen Materials genaustens charakterisieren muss.? Solche Diamantsensor-Mikroskope bieten die Forschenden nun über das aus dem Diamond Lab hervorgegangene Spin-Off ?Qzabre? an. ?Für manche Messungen ist es vorteilhaft, wenn man ein zus?tzliches Magnetfeld von aussen anlegen kann?, sagt Grob.
Als Zusatzmodul zum Mikroskop offeriert Qzabre daher einen Magneten aus drei Spulen, der es erm?glicht die St?rke und Richtung des Magnetfelds zu steuern. Da sich die Spulen bei der Nutzung erhitzen, hat Grob ein Kühlsystem entworfen, das Polymechaniker Gian Curiger in die Tat umsetzte. Die Spulen kommen dabei in einem Aluminiumkegel zu liegen, durch den Kühlwasser fliesst. Pr?zise ausgeführte Bohrungen leiten das Wasser in einem mehrstufigen Kreislauf um die Spulen. ?Damit die W?rme optimal abgeführt wird, werden die Spulen zus?tzlich mit Kupfer umhüllt?, führt Curiger aus. Schliesslich werden die Einzelteile mit Hilfe von gelaserten Dichtungen aus Neopren wasserdicht verschraubt.

An Prototypen lernen
Die Zusammenarbeit und die Auftr?ge aus der Forschung machen die Ausbildung der Polymechaniker an der ETH einzigartig – und sie erfordern ab und zu auch etwas ??bersetzungsarbeit? zwischen Werkstatt und Experimentalphysik: ?Wir arbeiten an Versuchen und Prototypen – das bedeutet, dass wir zumeist Einzelanfertigungen herstellen?, sagt Margadant. Alle drei Lehrlinge sind von der abwechslungsreichen Lehre überzeugt. ?An der ETH wird man nicht nur in einem Teilbereich ausgebildet, sondern lernt immer wieder etwas Neues?, meint Curiger. Wenn man gef?rdert werden m?chte, sei die Lehre an der ETH das Richtige, so de Meurichy.
In der Werkstatt sind die insgesamt 16 Lehrlinge den Mitarbeitern gleichgestellt und werden gesch?tzt. Auch der Zusammenhalt unter den Lehrlingen ist gut. Mit ihrem Lehrabschluss endet ihre Zeit an der ETH. Alle drei führen ihren Weg an der Berufsmittelschule fort. Ihre Abschlussarbeiten bleiben der ETH jedoch erhalten und erm?glichen die Spitzenforschung. Die Teile werden erst in den kommenden Wochen montiert, doch zufrieden mit ihrer ausgezeichneten Leistung dürfen die Lernenden bereits jetzt sein.
Die Fotos haben Monika Hanke und Emanuel Noe Schweizer gemacht. Sie sind angehende Interactive Media Designer aus der ETH-Berufsbildung.
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