Die Schweiz sicher mit sauberer Energie versorgen? Ja, das geht
Für Gabriela Hug, Expertin für Stromnetze, steht fest: Eine zuverl?ssige und zahlbare Versorgung mit erneuerbarer Energie ist keine Utopie – sondern für die Schweiz sinnvoll und machbar.
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Um die sch?dliche und menschengemachte Erderw?rmung einzud?mmen, müssen wir die klimarelevanten Emissionen m?glichst rasch senken und die unvermeidbaren Treibhausgase mit sogenannten negativen Emissionen kompensieren. Die Wissenschaft ist sich einig und die Politik hat entsprechend Ziele gesetzt: So soll die Schweiz gem?ss Pariser Klimaabkommen bis 2050 ihre Treibhausgasemissionen auf netto null absenken.1
Der weitaus gr?sste Anteil dieser Emissionen entsteht in der Schweiz durch das Verbrennen von Erd?l und Erdgas im Geb?udebereich und durch den Verbrauch von Benzin und Diesel im Verkehr. Hier sollten wir also priorit?r ansetzen. Die wichtigsten technischen L?sungen sind bekannt und erprobt: Ersatz von fossilen Heizungen durch W?rmepumpen und W?rmenetze und die Elektrifizierung des Verkehrs, wo immer dies m?glich ist.
Die grosse Frage ist, ob diese Massnahmen technisch und kostenm?ssig so umsetzbar sind, dass wir bis 2050 von einer nachhaltigen, zuverl?ssigen und bezahlbaren Energieversorgung profitieren k?nnen. An der ETH Zürich haben sich 15 Energieexpertinnen und -experten zusammengesetzt und die Versorgungssicherheit in einer Netto-Null-Energiezukunft für die Schweiz anhand von wissenschaftlichen Erkenntnissen analysiert.
Ein gangbarer Weg – aber kein Spaziergang
In unserem Bericht kommen wir klar zum Schluss, dass eine fossilfreie Energieversorgung für die Schweiz technisch realisierbar ist, und zwar mit vertretbaren, je nach Rechnung sogar negativen Kosten – sofern die Schweiz die erneuerbare Stromproduktion rasch ausbaut und ein effizienter Stromhandel mit der EU weiter m?glich ist.2 Die Elektrifizierung von Heizen und Verkehr kann und muss dabei parallel zum Zubau der erneuerbaren Stromquellen geschehen.
Trotzdem ist die Umsetzung herausfordernd: Der Stromverbrauch wird über die Jahre auf Grund der Elektrifizierung von Geb?ude- und Verkehrssektor deutlich ansteigen – von den heute rund 60 TWh auf wohl über 80 TWh. Wichtig zu beachten ist dabei jedoch, dass durch den Effizienzgewinn der Gesamtenergiebedarf massiv abnimmt. Das verringert insbesondere die Auslandsabh?ngigkeit bei den fossilen Energietr?gern.
?Wichtig zu wissen ist, dass selbst bei einem Status Quo des Energiesystems in den n?chsten Jahrzehnten ohnehin betr?chtliche Investitionen notwendig werden.?Gabriela Hug
Ausserdem gilt es, den Strom aus den heute bestehenden Kernkraftwerken zu ersetzen. Eine Verl?ngerung der Laufzeit k?nnte hier rein technisch helfen. Dennoch ist klar: Es braucht massive Investitionen in die inl?ndische Stromproduktion, insbesondere bei der Photovoltaik auf Geb?uden und idealerweise auch im alpinen Raum, sowie bei der Wasserkraft, sofern dies m?glich ist. Auch zus?tzliche Windkapazit?ten würden vor allem im Winter helfen, da im Winter die Windproduktion h?her ist als im Sommer. Wichtig zu wissen ist, dass selbst bei einem Status Quo des Energiesystems in den n?chsten Jahrzehnten ohnehin betr?chtliche Investitionen notwendig werden.
Stromhandel bleibt unabdingbar
Beim Landschaftsschutz und bei der Biodiversit?t sind in der Schweiz nun sinnvolle Kompromisse gefragt: Nicht alle D?cher müssen mit Solaranlagen gedeckt, nicht alle m?glichen Windanlagen gebaut werden, aber es braucht einen Zubau an Kapazit?ten, idealerweise nach gesellschaftlichen Abw?gungen und auf der Basis von Erfahrungen aus Pilotanlagen. Auch eine Reduktion des Endverbrauchs ist wichtig und sinnvoll. Sei dies durch bessere Isolation und intelligentere Ausnutzung im Geb?udebereich oder durch ein effizienteres Verkehrsmanagement und nachhaltigere Mobilit?tsformen. Politik und Gesellschaft müssen diese Optionen diskutieren, damit die beschlossenen L?sungen schnell umgesetzt werden.
Noch gibt es ungel?ste Probleme. Nicht alle Anwendungen lassen sich sinnvoll elektrifizieren etwa der Langstrecken-Schwertransport oder der Flugverkehr, wo wahrscheinlich synthetische Brenn- und Treibstoffe n?tig werden. Diese muss die Schweiz wohl in Zukunft gr?sstenteils importieren.
Dazu kommt, dass die Saisonalit?t der Stromproduktion zu berücksichtigen und auszugleichen ist. Dies wird machbar durch saisonale Speicherung, etwa in Form von Wasser in Stauseen, W?rme (wie es auf dem ETH-捷报比分_新浪体育nba¥直播官网 auf dem H?nggerberg mit einem externe Seite Anergienetz schon heute praktiziert wird) oder chemischen Energietr?gern (zum Beispiel Wasserstoff oder Biomethan), und durch einen effizienten Stromhandel mit dem umliegenden Ausland. Dies war in den vergangenen Jahrzehnten bereits der Fall.
Stromhandel ist insbesondere aufgrund der Synergien sinnvoll: In Europa werden in grossem Stil Windanlagen zugebaut, die insbesondere im Winter Strom produzieren – die Schweiz generiert mit Wasserkraft und Photovoltaik vor allem im Sommer viel Strom. Eine wichtige Rolle wird die Verfügbarkeit von Daten zur Produktion und zur Nutzung spielen, um intelligente L?sungen im Netz zu erm?glichen und dieses zu entlasten.
Keine Angst vor Ver?nderungen
In der Schweiz haben wir alle Voraussetzungen, um den Wandel hin zu einer nachhaltigen, sicheren und bezahlbaren Energieversorgung zu realisieren: Eine sehr gut ausgebaute Infrastruktur, Kapital, führende Hochschulen, Handwerkstradition. Schlussendlich braucht es jetzt den gesellschaftlichen und politischen Willen, diesen Wandel umzusetzen.
Obwohl sich die Ressourcen der verschiedenen L?nder unterscheiden, sind die Herausforderungen weltweit oft ?hnlich. Es bietet sich der Schweiz die einmalige Chance, ihre Innovationskraft nicht nur für die Energiewende der Schweiz zu nutzen, sondern künftig Technologien, Expertise und Erfahrung auch europa- und weltweit zu exportieren.
Gabriela Hug steht dem Energy Science Center (ESC) der ETH Zürich vor und verfasste diesen Text gemeinsam mit Christian Schaffner, Direktor des ESC. Der Beitrag erschien zuerst als externe Seite Gastkommentar in der NZZ vom 6. Juni 2023.
1 Bundesamt für Umwelt (Bafu): externe Seite Netto-Null-Ziel 2050
2 ETH Zürich, Energy Science Center, Expertengruppe Versorgungssicherheit: Whitepaper: Versorgungssicherheit in einer Netto-?Null-Energiezukunft für die Schweiz (24. Mai 2023).